FRANKFURT - Nach einer Serie von Zinserhöhungen in den vergangenen 18 Monaten hat die Europäische Zentralbank (EZB) heute beschlossen, eine Pause einzulegen. Der Leitzins bleibt damit bei 2,5 Prozent, während der Einlagensatz, zu dem Banken Geld bei der Zentralbank parken können, unverändert bei 2,0 Prozent liegt. Die Entscheidung wurde vom EZB-Rat einstimmig getroffen und entspricht weitgehend den Erwartungen der Finanzmärkte.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte auf der anschließenden Pressekonferenz, dass die Inflation zwar rückläufig sei, aber immer noch über dem Zielwert von 2 Prozent liege. "Wir sehen positive Anzeichen in der Preisentwicklung, bleiben aber wachsam", erklärte Lagarde. "Die aktuelle Zinspolitik ist angemessen, um die Inflation mittelfristig auf unser Ziel zu senken."
Inflationsdruck lässt nach
Die Inflationsrate in der Eurozone ist im März auf 2,4 Prozent gesunken, nach 2,6 Prozent im Februar. Dies ist der niedrigste Wert seit mehr als drei Jahren und nähert sich dem Zielwert der EZB von 2 Prozent. Besonders die Energiepreise, die im vergangenen Jahr noch stark zur Inflation beigetragen hatten, haben sich stabilisiert.
Allerdings bleibt die Kerninflation, bei der volatile Preise für Energie und Nahrungsmittel herausgerechnet werden, mit 2,9 Prozent weiterhin erhöht. Dies deutet darauf hin, dass der Preisdruck in der Wirtschaft noch nicht vollständig nachgelassen hat.
"Die EZB befindet sich in einer schwierigen Situation. Einerseits muss sie die Inflation bekämpfen, andererseits darf sie das Wirtschaftswachstum nicht unnötig bremsen. Die heutige Entscheidung spiegelt diesen Balanceakt wider."
- Prof. Dr. Martin Weber, Wirtschaftsforschungsinstitut München
Auswirkungen auf die Wirtschaft
Die Entscheidung der EZB hat weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Bereiche der Wirtschaft:
- Kreditnehmer: Für Unternehmen und Privatpersonen bedeutet der stabile Leitzins, dass die Kreditkosten vorerst nicht weiter steigen werden. Dies könnte Investitionen und Konsumausgaben stützen.
- Sparer: Für Sparer bleibt die Situation herausfordernd, da die Zinsen auf Spareinlagen zwar gestiegen sind, aber in vielen Fällen immer noch unter der Inflationsrate liegen, was zu einem realen Wertverlust führt.
- Immobilienmarkt: Der Immobilienmarkt, der unter den gestiegenen Zinsen gelitten hat, könnte sich stabilisieren. Die höheren Finanzierungskosten haben in vielen europäischen Ländern bereits zu sinkenden Immobilienpreisen geführt.
- Währung: Der Euro reagierte auf die Entscheidung mit leichten Kursgewinnen gegenüber dem US-Dollar, da die Märkte die Entscheidung als Zeichen der Stärke und Stabilität werten.
Unterschiedliche Wirtschaftsentwicklung in der Eurozone
Eine besondere Herausforderung für die EZB bleibt die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung in den Mitgliedsländern der Eurozone. Während die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal 2025 um 0,3 Prozent gewachsen ist, verzeichnete Italien ein Wachstum von 0,5 Prozent. Frankreich hingegen stagnierte, und Spanien konnte ein robustes Wachstum von 0,7 Prozent verbuchen.
Diese Unterschiede erschweren die Geldpolitik der EZB, da ein einheitlicher Zinssatz für alle Länder festgelegt werden muss, obwohl die wirtschaftlichen Bedingungen variieren. "Die EZB muss einen Kompromiss finden, der für alle Mitgliedsländer tragbar ist", erklärt Dr. Anna Schmidt, Ökonomin bei der Commerzbank. "Das ist keine leichte Aufgabe."
Ausblick: Was kommt als Nächstes?
Die meisten Analysten erwarten, dass die EZB die Zinsen in den kommenden Monaten stabil halten wird, bevor möglicherweise gegen Ende des Jahres erste Zinssenkungen erfolgen könnten. "Wir rechnen mit einer ersten Zinssenkung im vierten Quartal 2025, sofern sich der Trend sinkender Inflationsraten fortsetzt", prognostiziert Michael Wagner, Chefvolkswirt der Deutschen Bank.
Lagarde betonte jedoch, dass die EZB "datenabhängig" bleibe und ihre Politik jederzeit anpassen werde, wenn die wirtschaftliche Entwicklung dies erfordere. "Wir sind nicht auf einen bestimmten Pfad festgelegt", sagte sie. "Unsere Entscheidungen werden von den eingehenden Daten und unserer aktualisierten Einschätzung der Inflationsaussichten abhängen."
Für die europäische Wirtschaft bedeutet dies eine Phase relativer Stabilität in der Geldpolitik, was Planungssicherheit für Unternehmen und Verbraucher bietet. Gleichzeitig bleibt die EZB wachsam gegenüber Inflationsrisiken und ist bereit, bei Bedarf zu handeln.
Die nächste geldpolitische Sitzung der EZB findet am 5. Juni 2025 statt. Bis dahin werden weitere Wirtschaftsdaten und Inflationszahlen veröffentlicht, die Aufschluss über die weitere Entwicklung geben werden.